Die Zunge und ihr Einfluss auf die Kieferform
Von einer myofunktionellen Störung (myo = Muskelgewebe) spricht man, wenn einzelne Muskeln im Mund- und Gesichtsbereich zu stark oder zu schwach entwickelt sind, was dazu führt, dass Muskelspannungen und Bewegungsabläufe beeinträchtigt sind. Dies äußert sich beispielsweise in Aussprachestörungen, einer falschen Zungenruhelage oder falschen Schluckmustern. Ist der von der Zunge ausgeführte Schluckvorgang so gestört, dass die Zunge gegen oder zwischen die Front- bzw. Seitenzähne presst, müssen die umgebenden Muskeln helfen, das entstandene Muskelungleichgewicht zu kompensieren. In der Folge führt dies zu Zahn- und Kieferfehlstellungen wie dem sog. „offenen Biss“. Der sog. „Schluckdruck“ beträgt in der Regel zwischen 2 und 4 kg. Summiert man die Kraft der Zunge, die von hinten gegen die Schneidezähne drückt, kommt man bei rund 2.000 Schluckvorgängen pro Tag leicht auf mehrere Tonnen.
Kieferfehlstellungen, die durch myofunktionelle Störungen verursacht werden, lassen sich nicht allein durch kieferorthopädische Maßnahmen korrigieren. Nach Abschluss der Behandlung käme es nämlich in kurzer Zeit zu einem sog. Rezidiv, also zur gleichen Fehlstellung wie zu Beginn der Therapie. Aus diesem Grund ist in solchen Fällen eine enge Zusammenarbeit zwischen Kieferorthopädie und Logopädie notwendige Voraussetzung für einen nachhaltigen Therapieerfolg.
Ziel einer myofunktionellen Therapie ist es, die richtigen Muskelreflexe wieder herzustellen und so ein korrektes Schluckverhalten zu erreichen. Die Behandlung erfolgt bei speziell ausgebildeten Logopäden und basiert auf einem gezielten Trainingsprogramm. Dies ist gleichzeitig die Voraussetzung für eine dauerhafte Veränderung der Zahnstellung. Durch das Erreichen einer ausgeglichenen Balance der Gesichtsmuskeln werden Fehlhaltungen und –belastungen im gesamten Kausystem gelöst. Positive Ergebnisse zeigen sich aber nicht nur funktional, sondern auch rein äußerlich. Die Gesichtsmimik wirkt sehr viel entspannter, was auch ein positiveres Aussehen nach sich zieht.